Fünf Dinge, die man – ganz nebenbei – im Buchhandel lernt

Ein Foto aus guten alten Zeiten 😉

Buchhändlerin! Der wohl schönste Beruf der Welt hat mich ein paar Jahre meines Lebens begleitet. Mit allem, was dazugehört.

Nun hat jeder Außenstehende sicherlich ganz bestimmte Vorstellungen von unserem beruflichen Alltag: Kunden beraten, Titel recherchieren und bestellen, kassieren, in die neuesten Bestseller und Geheimtipps reinschmökern 😉 Mehr oder weniger richtig. Doch das ist natürlich noch längst nicht alles. In eine Jobbeschreibung gehörte so manche Fähigkeit, die man nicht unmittelbar mit diesem Beruf in Verbindung bringen würde … Kleine Auswahl gefällig?


»Soll es ein Geschenk werden?«

Kurz vor Weihnachten an der Kasse: Vielleicht kennen Sie diesen Blick, mit dem man Ihnen leise flehend zu signalisieren versucht, man möge doch noch darauf verzichten, sich gleich alle zwanzig Präsente in verschiedene ausgewählte Papiere einschlagen zu lassen? Mittlerweile vollführt die Schlange vor der Theke bereits unzählige Windungen im Raum…

Wenn man eines spätestens im berühmt-berüchtigten Weihnachtsgeschäft lernt, dann ist es: Einpacken, aber fix! Und trotzdem akkurat. Egal was. Bücher sind meistens klein, handlich, easy peasy. Aber ein XXL-Kalender? Ein Globus? Oder die Gugelhupfform, passend zum Backbuch? Wie sehr hadert man in diesen Momenten mit der immer größer werdenden Palette an Zusatzsortimenten im Buchhandel.

Wenn dann endlich alles vorbei ist, steht man daheim vor dem eigenen Geschenkeberg. Und verflucht sein Mitleid mit der Verkäuferin, das einen dazu verleitet hat, die Sachen im Laden NICHT einpacken zu lassen …

Multitasking im Großraumbüro

Der gemeine Buchhändler steht leicht verträumt am Info-PC und wartet gelangweilt nur darauf, dass ihn endlich ein Kunde anspricht? Weit gefehlt. Wahrscheinlich versucht er sich gerade auf eine Umsatzanalyse des letzten Monats zu konzentrieren. Oder plant den Einkauf für seine Abteilung, ein Schaufenster oder die nächste Lesung. Er ruft Kunden an und schreibt E-Mails an Verlage. Oder bastelt an einer neuen Rezension für den Buchhandlungs-Blog …

Anders als in einem klassischen Bürojob stören ihn in seinem Großraumbüro jedoch nicht nur die eigenen Kollegen. Sondern vor allem die Kunden, mit komplizierten Anfragen, Entscheidungsschwierigkeiten oder auch mal ganzen Lebensgeschichten.

Wenn man hier etwas schaffen will, braucht es starke Nerven. Und man muss blitzschnell umschalten können. Bloß nicht den Faden verlieren. Sonst kann man mit den Zahlen gleich wieder von vorne beginnen. Nein, vertrauen Sie mir: Der Buchhändler ist IMMER beschäftigt …

Tetris für Fortgeschrittene

Soooo viele Bücher … aber so wenig Platz. Ja, das Problem kennt nicht nur der private Sammler von seinen heimischen Regalen. Bestellt ist grundsätzlich lieber zu viel Ware als zu wenig. Und die muss irgendwo untergebracht werden. Das darf dann natürlich nicht aussehen, als hätte jemand einfach den Mount Everest aufgeschüttet. Ästhetik spielt in der Verkaufspsychologie ja bekanntlich eine entscheidende Rolle.   

Es kommt aber nicht nur darauf an, möglichst hübsche Gesamtkunstwerke auf den Tischen zu stapeln. Die nächste Herausforderung: Im Regal die passenden Lücken schaffen, denn von jedem Titel muss mindestens (!) ein Exemplar da rein … Da hilft oft nur gezielt umsortieren, unter Berücksichtigung aller möglichen (und unmöglichen) Präsentationsflächen im gesamten Haus. Ein echter Buchhändler denkt also multidimensional.

Bei uns daheim gibt es vor jeder Reise diesen einen Running Gag, wenn mal wieder jemand ratlos vor dem – angeblich – viel zu kleinen Kofferraum steht. »Lassen Sie mich durch«, sage ich dann immer zu meinem Mann. »Ich mach‘ das schon. Ich bin schließlich Buchhändlerin …«

Viele Bücher wiegen schwer …

Es gibt da diesen Spruch: Buchhändler*in sei »der intellektuellste unter den Ausbildungsberufen.«« Nach zwei Jahren Dienst in einem dreistöckigen Warentempel finde ich diese Aussage ziemlich putzig. So manch einer denkt ja, der Buchhändler führe vor allem tiefsinnige Gespräche über kontroverse Titel und ließe hier und da mal zärtlich die Hand über einen Buchrücken fahren. Nicht, dass das komplett falsch wäre … Doch abseits davon kann es vor allem ein Knochenjob sein.

Wer bereits morgens im Keller hunderte von Kisten für das gesamte Haus zu sichten und verteilen hat, bekommt eine Ahnung, wovon ich rede. Bücherstapel können ganz schön schwer sein … Und Tische, die voll damit sind, auch … Der Bizeps muss also stimmen

In halbwegs großen Häusern könnte man zudem mit Kilometergeld zum Millionär werden. Tagtäglich begleitet man die verunsicherten Kunden bis in die entlegensten Winkel, um ihnen, zuvorkommend wie man ist, die langwierige Suche nach dem Buch zu erleichtern. Nimmt man zu all dem noch den Faktor »Geschwindigkeit« hinzu, merkt man schnell: Dieser Beruf ist nix für Weicheier …

Expertenmine bei völliger Ahnungslosigkeit

Jetzt muss manch ein Kunde ganz stark sein: Nein, ein Buchhändler hat NICHT jedes Buch aus der Abteilung gelesen. Wann auch? Da davon aber so häufig mit größter Selbstverständlichkeit ausgegangen wird, ist man gelegentlich versucht, dem einfach nicht mehr zu widersprechen. Der Frage »Haben Sie das gelesen?« schließt sich in der Regel nahtlos ein »Ist das gut?« an (ohne, dass man die Antwort auf die erste Frage abgewartet hätte). Und der erfahrene Händler nickt weise – obwohl er bislang höchstens mal den Klappentext gelesen hat.

Im Idealfall hat er natürlich eine positive Rezension gelesen, gute Rückmeldung von Kollegen oder anderen Kunden dazu erhalten oder kennt andere Bücher vom Autor oder aus der Reihe des Verlages. Ansonsten ist es eben einfach »eins der besten Bücher, die man in letzter Zeit gelesen hat« (Belletristik), »hat einen die Nacht wachgehalten« (Thriller), »enthält genau die Infos, die man wirklich braucht« (Ratgeber). Etc. etc.

Man darf sich wohl vor Augen halten: Auch wenn man es selbst gelesen oder genutzt und für gut befunden hätte, bedeutet das noch lange nicht, dass der Kunde das hinterher genauso sehen würde …. Ausgenommen natürlich die Stammkunden, deren Vorlieben man irgendwann ungefähr einschätzen kann. Die ganze Wahrheit ist: Manchmal braucht es in diesem Beruf eben einfach Mut zur Lücke und ein gutes Gespür dafür, was das Gegenüber sucht bzw. hören möchte. Für mich eine der größten Herausforderungen in diesem Job.


Zu guter Letzt …

Eine Bitte noch zum Schluss: Man möge meinen Text an vielen Stellen mit einem Augenzwinkern deuten. Humor ist in diesem Beruf nämlich immer gefragt. Und eine gute Portion Entspanntheit. 😊

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